Ganztagsschule als Lösung?

Im Kapitel „Ausgewählte Maßnahmen mit Fokus auf evidenzbasierter Schul- und Unterrichtsentwicklung“ im Pisa 2022 – Erstbericht des Instituts des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen (IQS) wird auf Seite 128 der Ausbau von Ganztagsschulen angeführt:

„Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der Chancenungleicheiten im österreichischen Schulsystem wird im Ausbau der Ganztagsschulen gesehen. In Bezug auf die Chancengerechtigkeit können Nachteile für einzelne Schüler/innen besser kompensiert werden, wenn ein verstärktes Angebot an Nachmittagsbetreuung vorliegt, wie dies etwa von der OECD (2016) empfohlen wird. So sollen Schüler/innen unabhängig von ihrer (sozialen) Herkunft und Erstsprache in der Ganztagsschule Förderung durch pädagogische Kräfte erhalten (Scheipl, Leeb, Wetzel, Rollett & Kielblock, 2019; Bruneforth, Chabera, Vogtenhuber & Lassnigg, 2015). Das Bildungsinvestitionsgesetz (BGBl. I Nr. 87/2019) sieht diesbezüglich einen sukzessiven Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen vor; die Erhöhung des Angebots ist bereits sichtbar (George & Klinglmair, 2023).“

Der Aufenthalt in der Schule bewirkt nicht per se eine Erhöhung der bei Pisa getesteten Kompetenzen.
Betrachtet man das Konzept der österreichischen ganztägigen Schulform und hier insbesondere den sogenannten Betreuungsteil, so stellt man fest, dass dieser vorwiegend aus Freizeit besteht. Lernzeiten sind nur in sehr eingeschränktem Ausmaß im Angebot.
„Das Ausmaß der unterschiedlichen Lernzeiten kann durch schulautonome Lehrplanbestimmungenunter Bedachtnahme auf pädagogische, räumliche und ausstattungsbedingte Gegebenheiten wie in der nachfolgenden Tabelle festgelegt werden“:

LP GLZ ILZ


Allerdings nehmen sehr viele Schulen die Ausnahmeregelung in Anspruch:
„Sind die notwendigen personellen Ressourcen für eine individuelle Lernzeit (ILZ) im Ausmaß von mindestens zwei Wochenstunden nicht gesichert, kann stattdessen die gegenstandsbezogene Lernzeit (GLZ) mit fünf Wochenstunden anberaumt werden.“

Das bedeutet:

ein Großteil der Kinder hat nur 1 Stunde Lernzeit pro Wochentag. Der Rest des Aufenthalts in der Schule, auch wenn dieser bis 18 Uhr dauern sollte, ist Freizeit.

Auch wenn es in der Lernzeit, wie im Lehrplan vorgesehen, gezielt zusammengestellte Aufgabenpakete zur Sicherung des Unterrichtsertrages geben sollte, hilft das nur bedingt.
Es müssten in der 1 Stunde die Hausübungen oder auch Aufgabenpakete des jeweiligen Gegenstandes, dem die gegenstandsbezogene Lernzeit zugeordnet ist, erledigt werden.

Die Erledigung anderer Arbeiten (Hausübungen für andere Gegenstände, Lernen für Prüfungen, Tests,...), die nicht dem Gegenstand der jeweiligen Lernzeit zuzuordnen sind, haben keinen vorgesehenen zeitlichen Rahmen.

Aber auch wenn man die gängige Praxis hernimmt, der zufolge die eigentlich gegenstandsbezogene Lernstunde für jedwede Aufgabe verwendet werden darf, hakt es noch immer. 1 Stunde ist und bleibt zu wenig.


Schule rechnet mit der Mitarbeit der Eltern. Nicht nur auf organisatorischer und mentaler Ebene, sondern auch auf inhaltlicher.

„Die wöchentliche Ansage wurde auf Montag verlegt, damit auch die Eltern der GTS Kinder mit ihren Kindern üben können!“ – Oder so wie nachstehend:

be mit Hilfe


 

Wenn eine Ganztagsschule ausgleichen soll, was Eltern mit Zeitressourcen, „höherer“ Bildung, etc. für ihre Kinder an Lernunterstützung leisten,

dann muss auch ein zeitlicher und personeller Rahmen geschaffen werden, in welchem eine verbindliche Unterstützung und Kontrolle bei schriftlichen und mündlichen Arbeitsaufträgen auch passieren kann und muss.

Als langjährige Elternvertreterin versuchte und versuche ich nicht nur zumindest den personellen Rahmen dafür durchzusetzen,

dass auch individuelle Lernzeiten flächendeckend stattfinden, wodurch eine deutliche Ausweitung der Zeiträume für individuelles Lernen erreicht werden könnte, sondern 

dass die Lehrplanforderungen: „Jede Schülerin und jeder Schüler ist in der individuellen Lernzeit von den betreuenden Pädagoginnen und Pädagogen durch individuelle Lernunterstützung bestmöglich zu begleiten... .“ auch so verstanden wird, dass bei all den Forderungen nach Eigenständigkeit,... die Pädagogin bzw. der Pädagoge auch eine gewisse Ergebnisverantwortung hat.

Jedenfalls muss das organisatorische und inhaltliche Konzept des Betreuungsteils so verändert werden, dass eine wirkungsvolle Unterstützung der Kinder erfolgt.

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