Das Steiermärkisches Jugendgesetz – StJG 2013 regelt in seinem § 27, welche Übertretungen wie zu ahnden sind. >> Strafbestimmungen § 27 StJG
§ 27 Abs. 4 sieht mehrere Alternativen vor:
Der erste und zweite Satz sieht als "Strafe" – neben den in Abs. 2 leg. cit. vorgesehenen Geldstrafen – (auch) die Teilnahme an Beratungsgesprächen, Gruppenarbeiten oder Schulungen vor.
Der dritte und vierte Satz ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn dies zweckmäßiger wäre, zu Aufträgen zur Erbringung sozialer Leistungen, insbesondere durch Mithilfe im Jugend-, Gesundheits- und Behindertenbereich, in der Altenpflege oder in Tierschutzeinrichtungen, wobei das Ausmaß auf insgesamt 36 Stunden und täglich sechs Stunden beschränkt ist.
Der fünfte Satz bezieht sich auf alle Alternativen: „Ein Nachweis über die Erfüllung des Auftrags ist auf Verlangen der Behörde von der/dem Jugendlichen zu erbringen.“
In der Entscheidung G 152/2024-16 vom 24. Juni 2025 hat der Verfassungsgerichtshof „zu Recht erkannt“:
§ 27 Abs. 4 dritter Satz StJG 2013 steht daher nicht in Widerspruch zum Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit in Art. 4 Abs. 2 EMRK.
Sozialdienst hat zwar ein Zwangsmoment...
Ungeachtet des primären Zweckes eines solchen Auftrages zur Erbringung einer sozialen Leistung, dem Jugendlichen die Bedeutung sozialer Verantwortung zu vermitteln, handelt es sich bei dieser von der Bezirksverwaltungsbehörde statt einer Strafe oder eines Teils der Strafe angeordneten Maßnahme um eine Arbeitsleistung des betroffenen Jugendlichen, die dieser nicht freiwillig verrichtet. § 27 Abs. 4 StJG 2013 konzipiert diese Arbeitsleistung als (spezialpräventives und gegebenenfalls vorzugswürdiges) funktionales Äquivalent zu einer Geldstrafe für vom Jugendlichen gesetztes Fehlverhalten. Der Jugendliche wird dabei zu dieser Maßnahme auch verpflichtet. Dem Auftrag zur Erbringung der sozialen Leistung wohnt damit ein Zwangsmoment inne, wie es Art. 4 Abs. 2 EMRK für das Vorliegen von Zwangs- oder Pflichtarbeit erfordert.
... dennoch:
. Dennoch handelt es sich bei der in § 27 Abs. 4 StJG 2013 vorgesehenen behördlichen Anordnung, als Strafe oder als Teil der Strafe eine in der Regelung näher eingegrenzte soziale Leistung zu erbringen, aus folgenden Gründen nicht um Zwangs- oder Pflichtarbeit iSd Art. 4 Abs. 2 EMRK:
... Anordnung einer sozialen Leistung gemäß § 27 Abs. 4 StJG 2013 einem vergleichbaren öffentlichen Interesse dient (und insbesondere auch keine derartige Arbeitsleistung darstellt, wie sie Art. 4 Abs. 2 EMRK gerade verbieten will, ...
Jugendlichen, die eine als Ordnungswidrigkeit zu qualifizierende Verwaltungsübertretung begangen und dabei Regelungen missachtet haben, die das auf Respekt vor den Rechten anderer und eine gemeinsame Ordnung gegründete Zusammenleben in der Gesellschaft gewährleisten, soll die Bedeutung sozialer Verantwortung in der Gesellschaft vor Augen geführt werden.
Die von der Ermächtigung des § 27 Abs. 4 StJG 2013 erfassten Tätigkeiten in sozialen Einrichtungen zeigen die Bedeutung sozialer Tätigkeit für die Gesellschaft und sind daher, auch weil sie im Vergleich zu Geldstrafen nach § 27 Abs. 3 StJG 2013 sozial gleichmäßig wirken, im Hinblick auf den spezialpräventiven Zweck der Strafe für Jugendliche eine geeignete alternative Sanktion zur Geldstrafe.
Weiters ist von Bedeutung, dass der Umfang der gesetzlich zulässigerweise anordenbaren sozialen Leistungen (wegen des geringen Unwertgehaltes der vom Regelungssystem erfassten Verwaltungsübertretungen) so begrenzt ist, dass ausschließlich der im öffentlichen Interesse liegende Beitrag der sozialen Leistung, dem Jugendlichen die Bedeutung sozialer Verantwortung zu vermitteln, für die Verpflichtung zu der konkreten Leistung entscheidend ist und nicht ein allfälliger Ertrag aus der Leistung für die Institution, in der sie erbracht wird.